Neubeginn nach schwerer Zeit
Am 20, Juli 1920 trafen sich im Übungslokal neun Musiker mit dem Ziel, den Musikverein neu zu beleben. Man machte gleich Nägel mit Köpfen, beschloss noch am gleichen Abend eine neue Satzung und gab dem Verein den Namen "Musikverein Harmonie Maring". Die Vorstandswahlen brachten den nach Noviand verheirateten Peter Clemens II an die Spitze des Vereins. Welch eine erstaunliche und aus heutiger Sicht zugleich erfreuliche Tatsache! Ein Noviander hatte in Maring das Sagen und das scheint keinen der Musiker gestört zu haben! Maringer, Noviander, Wehlener und Lieserer in der "Harmonie" unter einem musikalischen Dach! Nomen est omen. Den schönen Namen hatten die Musiker ihrem Verein ja hoffentlich nicht ohne ernsthaftes Nachdenken gegeben. Matthias Jakoby vertraute man die musikalische Leitung an.
Bei den Rechten und Pflichten der Musiker war es ähnlich wie bei der Feuerwehr. Unentschuldigtes Fernbleiben bei einer Probe - und es waren derer zwei in der Woche - wurde satzungsgemäß mit einer Geldstrafe von 2 Mark geahndet. Wahrlich eine drastische Strafe, wenn man den Betrag zu den damaligen Preisen und Löhnen in Relation setzt. Er entsprach etwa dem Preis von 10 Glas Bier! Aber ganz so schlimm war es doch wiederum nicht, denn der Wert des Geldes verfiel zusehends, die Inflation warf schon ihre Schatten voraus. Vielleicht wird daraus die eigentlich unvernünftig hohe Geldstrafe ein wenig verständlicher. Auch Zuspätkommen wurde mit einer Geldstrafe belegt.
Eine weitere geradezu kontraproduktiv wirkende und dazu völlig ungerechte Maßnahme war in der Satzung festgelegt. Beim Eintritt in den Verein wurde eine Summe in der Höhe des jeweiligen Kassenbestandes als "Eintrittsgeld" fällig. Ob sich die Vereinsaspiranten vor ihrem geplanten Eintritt in den Verein bei dem Kassierer nach dem aktuellen Kassenstand erkundigten, ist nicht überliefert. Jeder Musiker hatte sein Instrument selber zu bezahlen. Ob da nicht unier dem Eindruck des Preises für einen B-Bass, mancher Liebhaber dieses Instrumentes dann doch zum Piccolo umgestiegen ist? Immerhin sehen wir auf den Fotos aus der damaligen Zeit, dass alle notwendigen Instrumente besetzt waren, sowohl die großen als auch die kleinen.
Aus den Jahren der französischen Besatzung im Rheinland, die von 1919 bis 1929 dauerte, berichtete der ELBERFELDER GENERALANZEIGER - den Zeitungsausschnitt hat Johanna Bracht-Licht aufbewahrt - eine kleine Episode, bei der es um den Maringer Musikverein ging.
Bei einem Umzug durch die Stadt Wittlich, zu dem auch die Maringer Blaskapelle eingeladen war, spielte diese sehr zum Unwillen der Franzosen einen Marsch, der im Ersten Weltkrieg weithin bekannt gewesen war, und zu dem ein Text gehörte, den sowohl die deutsche Bevölkerung als auch die Besatzungsbehörden kannten. "Siegreich wollen wir Frankreich schlagen", hatten die Soldaten des Ersten Weltkrieges gesungen. Als der Sieg jedoch den Franzosen blieb, veränderte sich in der Besatzungszeit der Text. "Siegreich wollen wir - man darf`s nicht sagen", sang man in den Nachkriegsjahren unter vorgehaltener Hand. Und das gefiel den Siegern Überhaupt nicht! Man wollte die Besatzer für manche erlittene Schikane ärgern. Die Franzosen ihrerseits aber demonstrierten ihre Macht, indem sie Johann Licht, den Vorsitzenden des Musikvereins, und den Dirigenten Peter Klippel durch ein Militärgericht in Trier kurzerhand zu 50 Mark Geldstrafe und 4 Tagen Haft verurteilten, die im Wittlicher Gefängnis abzusitzen waren.
Die Franzosen konnten natürlich nicht wissen, dass besagter Dirigent als Gefängnisaufseher in eben diesem Wittlicher "Bulles" Dienst tat. So wurden die vier Tage bei Wasser und Brot für die beiden Missetäter zu vergnüglichen Tagen bei Brot, Wein und Wurst. Und nach ihrer Entlassung wurden die "Helden" bei ihrer Ankunft am Bahnhof in Maring von der Blaskapelle mit einem flotten Ständchen begrüßt. Mit Vergnügen spendeten die Heimkehrer ein Fässchen Bier und dann wurde zünftig gefeiert.
Und überhaupt, was das Trinken betrifft, so war immer dafür gesorgt dass die Musiker keine trockenen Kehlen bekamen. Der Verein stellte nämlich einen Haustrunk her, "Bubbel" genannt, an dessen Herstellungskosten sich jeder Musiker jährlich mit einer Mark zu beteiligen hatte.
Ein Probenlokal stand damals noch nicht zur Verfügung. Man probte in Privaträumen der Musiker, Wie da zwischen 25 und 30 Musiker hinein passten, ist kaum zu begreifen, auch wenn manche "gute Stube" recht groß war.
Ein wichtiges Datum in der Vereinsgeschichte ist zweifellos das Jahr 1929, in dem Matthias Jakoby als Vorsitzender die Zügel der "Harmonie" übernahm, die er bis 1960 fest in Händen hielt.
Besondere Erwähnung verdient die Tatsache, dass Anfang Januar 1933 acht Noviander aktive Musiker in der "Harmonie" wurden. Hermann und Fritz Licht. Felix und Hermann Wolff, Peter Schweitzer, Peter Klemm, Josef Klink und der Trompeter Josef Neumann (Neimanns-Jupp) Und diese Musiker bildeten mit den bereits vorher Mitglied gewordenen Noviandern ein gutes Drittel der aktiven Vereinsmitglieder. Das sei besonders für die gesagt, die vielleicht unzufrieden sein könnten, dass in zwei aufeinander folgenden Heften "Maringer" Vereine vorgestellt werden. In der Zeit zwischen den beiden Weltkriegen war der Musikverein ein Maring-Noviander Verein. Dies blieb auch nach 1945 so, und auch derzeit leisten in den Reihen der Trompeter Noviander Musiker einen gewichtigen Beitrag zur selbstverständlich gewordenen "Harmonie" zwischen den beiden Ortsteilen.
Aus dem Kreis der Musiker bildeten sich zeitweilig kleine Tanzkapellen, die Kirmes und Fastnacht etwas Geld für die Vereinskasse einspielten.
Die Musikfeste in den Jahren 1925-1930 brachten viele auswärtige Musikfreunde nach Maring. War das der Anfang des Tourismus? Der begann dann mit bescheidenen Zahlen, als Mitte der 30er Jahre die KDF (Kraft durch Freude) Gruppen von "Sommerfrischlern" ins Dorf brachte. Bei deren Ankunft auf dem Bahnhof durfte die Musik nicht fehlen. Mit Marschmusik - die passte besonders gut in die damalige Zeit - wurden die Gäste in einem Umzug durch das Dorf geleitet, bevor es dann in die Quartiere ging. Ohne es recht zu wissen, war damit auch der Musikverein in den Dienst der nationalsozialistischen Propaganda gestellt.
Aus den 30er Jahren stammt auch die freundschaftliche Verbindung zu dem MV Geislautern (Saar), die nach dem Kriege wieder neu belebt werden konnte.
Vielleicht wurde durch die KDF-Reisen auch in den Maringer Musikern die Reiselust geweckt. Jedenfalls bot sich durch die Vermittlung des bei der Bahn beschäftigten Johann Licht die Möglichkeit, an den jeweils im Juli durchgeführten Ausflugsfahrten des Eisenbahnvereins Wengerohr teilzunehmen.
In dem Sonderzug wurden Abteile für die Maringer Musiker und deren Familienangehörigen reserviert. Die Fahrt war für die Maringer Musiker und ihren Anhang kostenlos. Als Gegenleistung sorgten sie dann nach Ankunft im Ausflugslokal mit flotten Weisen für Stimmung und gute Laune. Im Jahre 1935 ging es nach Bingen. 1936 wurde St. Goar angesteuert Danach waren Bad Kreuznach. Boppard und Saarbrücken die Reiseziele. Und dann war Schluss mit dem Spaß, denn die Eisenbahnwaggons wurden für andere Zwecke gebraucht. 1939: Kriegsausbruch! Jetzt kamen keine Fremden mehr ins Dorf, sondern die Männer mussten selbst in die "Fremde", in Länder, wo sie eigentlich nichts zu suchen hatten und wo viele ihr Leben lassen sollten.